An die
Richterin Steinbüchel
Verwaltungsgericht Köln
Appellhofplatz
50667 Köln
(Nur) Per Fax an: 0221 / 2066-7000
Bergisch Gladbach, 28.04.23
Gegendarstellung
Ihr Schreiben vom 03. April 2023
zur Rechtsbeugung u.a. der Richterinnen Andrea Kleinschmidt, Kathrin Nagel und Dr. Sokol in den
Verfahren 10 L 84/23 und 10 L 23/23
Sehr geehrte Frau Steinbüchel,
Sie behaupten in Ihrem Schreiben vom 03.04.2023 in Erwiderung meiner Dienstaufsichtsbeschwerde vom 19.03.2023 gegen die Richterinnen Kleinschmidt, Nagel und Dr. Sokol wegen Rechtsbeugung u.a. durch Beschlüsse vom 21.02.2023, dass
„Anhaltspunkte für ein pflichtwidriges Verhalten der zuständigen Richterinnen […] nicht im Ansatz erkennbar [sind].“
Dem ist bei objektiver Betrachtung nicht zuzustimmen. Die Entscheidung
„Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung [der Schulplicht] überwiegt das Interesse des Antragstellers, von dem Sofortvollzug verschont zu werden.“ (vorgenannte Beschlüsse, Seite 2)
ist eine eindeutige Beugung des Rechts iSv § 339 StGB und Verletzung des Artikel 97 GG durch die Richterinnen zu unserem Nachteil.
I.
Der rechtfertigende Notstand gemäß § 16 OWiG berechtigt zweifelsohne ein Elternteil zur Verletzung der Schulpflicht entsprechend § 126 Abs. 1 Nr. 4 iVm § 41 Abs. 1 S. 2 SchulG NRW, weil Bedienstete des Schuldienstes Straftaten gegen die Freiheit (§ 235, 239 StGB) und seelischen Entwicklung (§ 225 StGB) des Kindes des Notstand Handelnden und die Ehre (§§ 164, 186, 187 StGB) des Notstand Handelnden begangen haben und die zuständigen Behörden (insb. die Staatsanwaltschaft Köln) und Dienstherren (insb. die Bezirksregierung Köln und die Staatskanzlei des Landes NRW) eine rechtsstaatliche Aufklärung willkürlich und rechtsstaatwidrig verhindern.
Gemäß § 16 OWiG gilt: Wer eine rechtswidrige Handlung begeht, um eine nicht anders abwendbare gegenwärtige Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Handlung ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.
§ 16 OWiG berechtigt zur Rettung bestimmter Güter (= Erhaltungsgüter) zu Lasten anderer (= Eingriffsgüter). Dabei ist eine Güterabwägung vorzunehmen; Die Gefahrenabwendung durch eine rechtswidrig Handlung ist nur dann erlaubt, wenn die gefährdeten Güter (das geschützte Interesse) erheblich („wesentlich“) höher zu bewerten sind als die Güter (das beeinträchtigte Interesse), in die zur Abwendung der Gefahr eingegriffen wird. Demnach begeht kein Unrecht, wer in einem anders nicht lösbaren Konflikt zweier Interessen das höherwertige schützt, indem er das geringwertigere verletzt. Die Handlung muss von demjenigen, in dessen Güter eingegriffen wird, geduldet werden.
Widerstreiten zwei Rechtsgüter und ist ein Ausgleich nur durch Vernichtung oder Schädigung des einen der beiden möglich, dann muss das geringerwertige dem höherwertigen Gut weichen. (RGSt 61, 242)
Die Verletzung eines Gutes von geringerem Wert ist nicht rechtswidrig, wenn sie unter Abwägung aller für die konkrete Interessenkollision bedeutsamen Umstände das einzige Mittel zum Schutz eines höherwertigen Gutes ist. (BGHSt 12, 299 f)
Die Rechtfertigung einer rechtswidrigen Handlung durch einen rechtfertigenden Notstand gemäß § 16 OWiG hat drei Voraussetzungen:
1. Notstandslage
Eine Notstandlage ist gekennzeichnet von einer gegenwärtigen Gefahr für ein notstandsfähiges Rechtsgut.
i. Gefahr
Eine Notstandslage ist ein Zustand gegenwärtiger oder drohender Gefahr für ein Rechtsgut, deren Abwendung nur auf Kosten fremder, rechtlich anerkannter Interessen möglich ist. Ein Rechtsgut ist gefährdet, wenn seine Schädigung oder Verletzung aufgrund feststellbarer tatsächlicher Umstände als wahrscheinlich erscheint. Sofern bereits eine Verletzung eingetreten ist, kann die Gefährdung in der Wahrscheinlichkeit einer Intensivierung des Schadens liegen. Maßgeblich für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit ist eine ex-ante-Prognose eines Durchschnittsbetrachters, bei dem das Sonderwissen des Notstandtäters zu berücksichtigen ist.
Da eine Verletzung bereits eingetreten ist, ist die Wahrscheinlichkeit einer Intensivierung zu betrachten. Da die Übeltäter für ihre Straftaten gegen unsere Familie bisher nicht zur Rechenschaft gezogen wurden, ist wenigsten mit einer nicht mit Sicherheit auszuschließenden Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass sie sich ermutigt fühlen könnten, weitere Straftaten gegen unsere Familie zu begehen. In dieser Wahrscheinlichkeit liegt – bis zur rechtsstaatlichen Aufklärung der Straftaten gegen unsere Familie – eine nicht von der Hand zu weisende gegenwärtige Gefahr. Dabei ist mein Sonderwissen dargestellt auf der Webseite staatklautkinder.de zu berücksichtigen.
ii. Gegenwärtigkeit
Gegenwärtig ist eine Gefahr, wenn ein Zustand gegeben ist, dessen Weiterentwicklung den Eintritt oder die Intensivierung eines Schadens ernstlich befürchten lassen. (BGH NstZ 1988, 554) Für die Gegenwärtigkeit der Gefahr kommt es also entscheidend auf die Notwendigkeit alsbaldigen Handelns an. Erfasst sind auch bereits bestehende Dauergefahren, wenn sie jederzeit in einen Schaden umschlagen können oder eine Intensivierung eines Schadens ernstlich befürchten lassen, sofern nicht umgehend Abwehrmaßen ergriffen werden. Sofortiges Handeln ist immer dann angezeigt, wenn die Gefahr sich ständig vergrößert, es als wenig wahrscheinlich erscheint, dass sie wieder entfällt, und es bei Beginn des drohenden Erfolgseintritts voraussichtlich zu spät wäre, ihr wirksam entgegen zu treten.
Es besteht eine gegenwärtige Gefahr für unser Selbstbestimmungsrecht und andere Grundrechte in Form einer Dauergefahr, solange die durch Staatsbedienstete zu unseren Lasten begangenen Straftaten nicht aufgeklärt und die Übeltäter ungestraft im Dienst bleiben.
iii. Notstandsfähigkeit des Rechtsguts
Notstandsfähig sind alle von der Rechtsordnung anerkannten oder geschützten Rechtsgüter, namentlich Leib, Leben, Freiheit, Ehre und Eigentum. Aber auch „andere Rechtsgüter“ sind von der Regelung erfasst. Gleichgültig ist, ob das Rechtsgut dem Täter oder einem Dritten zusteht.
Gefährdet sind die Freiheit und körperliche Unversehrtheit unseres Kindes und die Ehre des Kindesvaters.
An dem Vorliegen einer Notstandslage wegen unter Verletzung des Rechtsstaatsprinzips unaufgeklärter Straftaten durch Staatsbedienste zu Lasten unserer Familie und der damit einhergehenden akuten Wiederholungsgefahr kann demnach kein Zweifel bestehen.
2. Notstandshandlung
Die Notstandshandlung muss erforderlich, verhältnismäßig und angemessen sein.
i. Erforderlichkeit
Die Notstandshandlung muss zur Abwendung der Gefahr objektiv erforderlich sein („nicht anders abwendbar“). Ob der Handelnde die Gefahr von sich oder einem anderen anwenden will, ist gleichgültig.
Erlaubt ist nur ein zur Gefahrenabwendung erforderliches Mittel. Eine Notstandshandlung ist erforderlich, wenn sie zur Abwendung der Gefahr geeignet ist, mit gewisser Wahrscheinlichkeit zur Erhaltung des gefährdeten Gutes führt und dem Täter kein milderes gleichsam wirksames Mittel zur Verfügung steht. Erforderlich können auch ungewöhnliche Rettungsmaßnahmen sein, so dass das verletzte Rechtsgut kein typischerweise zur Gefahrenabwendung eingesetztes Mittel zu sein braucht. Unter mehrerer geeigneten Möglichkeiten ist das relativ mildeste Verteidigungsmittel, die am wenigsten gefährliche Handlungsalternative oder die am wenigsten einschneidende Maßnahme für ein anderes Rechtsgut zu wählen, die innerhalb der Fähigkeiten des im Notstand Handelnden liegt. Besteht eine Ausweichmöglichkeit oder ist obrigkeitliche Hilfe rechtzeitig erreichbar, so ist davon Gebrauch zu machen. Durch Notstand gerechtfertigt ist, wer bei einer gegenwärtigen Gefahr polizeiliche Hilfe nicht oder nicht rechtzeitig erlangen kann.
Fraglich ist die Erforderlichkeit der Schulpflichtverletzung. Das gewählte Mittel ist zweifelsfrei geeignet, die Gefahr weiterer Straftaten durch die Übeltäter abzuwenden. Ein milderes Mittel steht nicht zur Verfügung, da die Staatsanwaltschaft Köln (insb die Oberstaatsanwältin Katrin Kempkens und der Oberstaatanwalt Holger Joiko) die Aufklärung der gegen unsere Familie begangen Straftaten durch Staatsbedienstete unter Verletzung des Legalitätsprinzip und Verstoß gegen § 258a StGB vereiteln. Demnach steht mir kein milderes, gleichsam wirksames Mittel zur Verfügung.
ii. Verhältnismäßigkeit
Die sich gegenüberstehenden Rechtsgüter sind gegeneinander abzuwägen (Prinzip der Güterabwägung). Das zu schützende Interesse (= Erhaltungsinteresse) muss das durch die Gefahrenabwendung beeinträchtige Interesse (= Eingriffsinteresse) ‚wesentlich‘ überwiegen („Abwägung der widerstreitenden Interessen“), ansonsten scheidet eine Rechtfertigung nach § 16 OWiG aus.
(a) Für die Interessenabwägung ist zunächst auf den Rang und abstrakten Wert der verletzten Güter abzustellen. Hierfür kann auf rechtliche Wertungen der gefährdeten bzw. verletzten Güter zurückgegriffen werden. Das verletzte Eingriffsgut ergibt sich aus dem Tatbestand, den die Notstandshandlung erfüllt. Das Erhaltungsgut ist dasjenige, das sich in gegenwärtiger Gefahr befindet.
(b) Personenwerte haben grundsätzlich einen höherwertigen Rang als Sachwerte. Das ergibt sich aus der Wertung des Art. 1 GG. Unter den Personenwerten rangiert das Lebens als höchstrangiges Rechtsgut vor der „bloßen“ körperlichen Unversehrtheit.
(c) Schließlich sind zu berücksichtigen und zu gewichten:
◦ Intensität (Maß) und Nähe der Gefahr: Insbesondere bei der Kollision gleichwertiger Rechtsgüter ist zudem das Ausmaß (Grad) der drohenden Schäden mitzuberücksichtigen. Die Abwägung kann auch zugunsten eines Gutes von geringerem Rang ausfallen, sofern dem höherwertigen Gut nur eine vergleichsweise minimale Gefährdung droht.
◦ Garantenstellung: Spezielle Schutzpflichten aufgrund einer Garantenstellung iSd § 13 StGB. Wer Garant eines gefährdeten Rechtsguts ist, darf uU von Rechts wegen auf die Ausübung des Notstandsrechts nicht verzichten.
◦ Etwaige Unersetzlichkeiten des eintretenden Schadens
◦ der von im Notstand Handelnde Endzweck
◦ Größe der Rettungschancen
◦ Zu berücksichtigen ist auch, ob die Gefahr gerade vom Eingriffsgut ausgeht (Defensivnotstand) oder ob in ein Rechtsgut eines Unbeteiligten eingegriffen wird (Aggressivnotstand):
• Der Defensivnotstand (Verteidigungsnotstand) betrifft Einwirkungen auf fremde Güter, wenn gerade von diesen eine Gefahr ausgeht oder wenn derjenige, in dessen Güter eingegriffen wird, dafür einzustehen hat, dass die Gefahr nicht abgewendet wird. Eine defensive Notstandshandlung, die sich gegen die Gefahrenquelle richtet, ist grundsätzlich gerechtfertigt, wenn der damit verbundene Eingriff nicht außer Verhältnis zu der abgewendeten Gefahr steht. Denn der von Gefahr betroffene ist nicht verpflichtet die Realisierung der drohenden Rechtsgutsverletzung hinzunehmen.
• Der Aggressivnotstand (allgemeiner Notstand) rechtfertigt den Eingriff in beliebige Rechtsgüter eines Unbeteiligten, die zufällig geeignet sind, eine Gefahr abzuwenden, sofern die Gefahr die zu ihrer Abwendung verletzten Interessen und eingegangenen Gefahren wesentlich überwiegt. Darüber hinaus muss der Eingriff in ein Rechtsgut ein angemessenes Mittel zur Rettung anderer Rechtsgüter sein.
Da die Richterinnen in ihrer Entscheidung nicht erläutert haben, warum aus ihrer Sicht das Interesse des Staates unserer Kind zu beschulen, die Aufklärung der durch den Staat gegen unsere Familie begangen Straftaten überwiegt, kann eine Diskussion nur kurz ausfallen.
Ohne jeden Zweifel rangen die durch das Grundgesetz garantierten Rechtsgüter Freiheit, körperliche Unversehrtheit und die Ehre höher als die durch ein Landesgesetz geregelte Schulpflicht.
Da die Staatsanwaltschaft Köln, die Bezirksregierung Köln und die Staatskanzlei des Landes NRW die Aufklärung der gegen unsere Familie begangen Verbrechen verweigern, liegt eine durch Verletzung von Garantenpflichten verursachter Defensivnotstand vor, mit seinen weitgehenden Berechtigungen, die gefährdeten Rechtsgüter zu schützen.
iii. Angemessenheit
Die Handlung muss ein zur Gefahrenabwendung angemessenes Mittel sein. (§ 16 S. 2 OWiG)
Die Notstandshandlung darf rechts- und sozialethische Schranken des Notstandsrechts nicht überschreiten:
◦ Der rechtfertigende Notstand gilt nur in Ausnahmesituationen, wenn zur Gefahrenabwendung keine rechtlich geordneten Verfahren zur Verfügung stehen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass allgemeine Rechts- und Verfahrensgrundsätze vor einer Relativierung durch rein einzelfallbezogene, nicht verallgemeinerungsfähige Interessenabwägung geschützt werden.
◦ Der im Notstand Handelnde darf durch seine Handlung keine essentiellen Grundrechte anderer verletzen, weil dies die Grenzen der Zumutbarkeit überschreiten würde. Insbesondere besteht wegen des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit (gem Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) keine Rechtspflicht (gem §§ 323c, 13 StGB) zur Hilfeleistung, wenn ein gesundheitlicher Nachteil für denjenigen, in dessen Rechtsgut eingegriffen wird, zu befürchten ist. Ein Zwangseingriff ist dann unzulässig.
◦ Niemand darf durch durch Misshandlung, durch Ermüdung, durch körperlichen Eingriff, durch Verabreichung von Mitteln, durch Quälerei, durch Täuschung oder durch Hypnose zu einer bestimmten Handlung gezwungen werden. (§ 136a Abs. 1 StPO) Diese Vorschrift ist Ausdruck der Menschenwürde und des Rechtstatprinzips. Ein Verstoß dagegen ist daher in keinem Fall rechtfertigungsfähig.
Sicherlich war das Fernbleiben vom Ort der Gefährdung durch Wiederholungstäter ein angemessenes Mittel, nachdem allgemeine Rechts- und Verfahrensgrundsätze durch die Staatsanwaltschaft Köln, die Bezirksregierung Köln und die Staatskanzlei des Landes NRW willkürlich rechts- und rechtsstaatwidrig verletzt wurden.
3. Subjektiver Rettungswille
Der Täter muss in Kenntnis der objektiven Gefahrenlage (Notstandslage) sowie mit dem Wissen, dass seine Handlung zur Gefahrenabwendung das einzige mögliche verbleibende ihm zur Verfügung stehende Mittel zum Schutz des bedrohten Rechtsguts ist, handeln. Der subjektive Rechtfertigungstatbestand des Notstands erfordert zusätzlich einen Rettungswillen, also ein bewusstes Handeln zum Zwecke der Gefahrenabwehr oder mit dem Ziel der Gefahrenbeseitung („um … abzuwenden“).
Einer pflichtgemäßen Prüfung der Notstandslage durch den Täter bedarf es nicht. Unschädlich ist es, wenn neben dem Willen zur Rettung weitere Motive vorliegen.
Ich habe in Kenntnis der Notlage und mit der Absicht, Gefahren von unserem Kind abzuwenden gehandelt. Entsprechend war mein Handeln durch den § 16 OWiG gerechtfertigt.
Literatur:
Gropp et al, Fallsammlung Strafrecht
Joecks, Studienkommentar StGB
Kindhäuser, Strafrecht AT
Krüger, Strafrecht AT
Puppe. Strafrecht AT
Schmidt, Strafrecht AT
Wessels et al, Strafrecht AT
Demnach waren die objektiven und subjektiven Bedingungen eines rechtfertigen Notstands gegeben und deswegen war die Entscheidung vom 21.02.2023 der vorgenannten Richterinnen eine Beugung des Rechts zu unserem Nachteil.
II.
Der Rechtsbeugungstatbestand soll sicherstellen, dass Rechtspfleger nicht falsche Maßstäbe als Recht ausgeben und die Unparteilichkeit in der Rechtspflege und das Vertrauen der Allgemeinheit in den Rechtsstaat gewahrt bleibt (vgl. Wessels/Hettinger Straftrecht BT 1 Rn. 1127). „Der rechtsunterworfene Bürger soll vor einer Rechtsanwendung bewahrt werden, die der geltenden Rechtsordnung widerspricht.“ (BGH 4 StR 23/94) „Zweck der Vorschrift ist es, den Rechtsbruch als elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege unter Strafe zu stellen.“ (BGH 4 StR 84/13) Die Norm unterwirft (insbesondere) Richter der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für ihr Handeln und bildet damit ein Gegengewicht zur richterlichen Unabhängigkeit gemäß Art. 97 GG.
i. Tatbestand
A) Der objektive Tatbestand der Rechtsbeugung ist erfüllt, wenn
(1) ein Richter oder Amtsträger
(2) bei der Leitung oder Entscheidung
(3) einer Rechtssache
(4) zugunsten oder zum Nachteil
(5) einer Partei
(6) materielles oder prozessuales Recht objektiv falsch anwendet (= beugt, verbiegt, verdreht).
(1) Richter ist, wer nach deutschem Recht Berufsrichter oder ehrenamtlicher Richter gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist.
(2) Die Tat muss begangen werden bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache, d.h. zwischen der rechtswidrigen Handlung, Duldung oder Unterlassung und der Verfahrensleitung oder Sachentscheidung muss ein objektiver funktionaler Zusammenhang bestehen (vgl. Wessels/Hettinger Strafrecht BT 1 Rn. 1132). „Leitung der Rechtssache ist der Inbegriff aller Maßnahmen, die auf die Erledigung der Sache abzielen.“ (BGH 4 StR 84/13) „Die Abfassung der schriftlichen Gründe eines Urteils gehört noch zur Leitung und Entscheidung einer Rechtssache.“ (zjs-online Heghmanns 2014)
(3) Rechtssache ist jede Rechtsangelegenheit, in der sich mehrere Beteiligte mit widerstreitenden rechtlichen Belangen in einem nach Rechtsgrundsätzen geregelten Verfahren gegenüberstehen. Sie muss der Verwirklichung des Rechts dienen und Aufgaben betreffen, die zum Wesen des Richtens gehören und in einer entsprechend herausgehobenen Funktion zu erledigen sind (Wessels/Hettinger Strafrecht BT 1 Rn. 1130). Rechtsssache ist „das gesamte streitige Verhältnis, über das der Richter zu ‚entscheiden‘ hat.“ (BGH 4 StR 84/13)
(4) Die Rechtsbeugung muss durch Verbesserung der Lage zugunsten oder Verschlechterung zum Nachteil einer Partei erfolgen (Wessels/Hettinger Strafrecht BT 1 Rn. 1136). „Zugunsten oder zum Nachteil einer Partei wirkt sich eine Beugung des Rechts aus, wenn sie die Partei besser oder schlechter stellt, als sie bei richtiger Rechtsanwendung stünde. Erforderlich ist, dass durch die Verfahrensverletzung die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung zum Vor- oder Nachteil einer Partei begründet wurde, ohne dass allerdings ein Vor- oder Nachteil tatsächlich eingetreten sein muss. Die Benachteiligung kann auch in der Verschlechterung der prozessualen Situation eines Prozessbeteiligten liegen.“ (BGH 4 StR 84/13)
(5) Partei ist jeder Verfahrensbeteiligter (vgl. Wessels/Hettinger Straftrecht BT 1 Rn. 1136).
(6) Beugung des Rechts, auch Rechtsbeugung, ist die vorsätzlich falsche Anwendung des materiellen oder prozessualen Rechts zur Verbesserung der Lage zugunsten oder Verschlechterung zum Nachteil eines Verfahrensbeteiligten in einer Rechtssache (vgl. Wessels/Hettinger Straftrecht BT 1 Rn. 1136). Da der Amtsträger durch die Einstufung der Rechtsbeugung als Verbrechen (gemäß § 12 Abs. 1 StGB) bei einer Verurteilung sein Amt verliert (vgl. bspw. § 24 Nr. 1 DRiG), setzen Rechtssprechung und Fachliteratur hohe Hürden an eine Verurteilung: „Mit der gesetzlichen Zweckbestimmung [des Rechtsbeugungstatbestands] ist es nicht vereinbar, jede unrichtige Rechtsanwendung und jeden Ermessensfehler [zu bestrafen]. Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften [oder Rechtsnormen] stellt daher nur dann einen Rechtsbruch im Sinne des § 339 StGB dar, wenn darin allein oder unter Berücksichtigung des Motivs des Täters ein elementarer Rechtsverstoß gesehen werden kann.“ (BGH 4 StR 84/13) „Ein [Amtsträger] macht sich wegen Rechtsbeugung nur dann strafbar, wenn er sich bewusst und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt. Die bloße Unvertretbarkeit einer Entscheidung begründet eine Rechtsbeugung nicht.“ (Eine deutsche Staatsanwaltschaft) Die Verfahrensleitung oder Entscheidung des Richters bzw. Amtsträgers muss objektiv und in schwerwiegender Weise im Widerspruch zu Recht und Gesetz stehen (vgl. Wessels/Hettinger Straftrecht BT 1 Rn. 1133). „Der Widerspruch zum Recht muss eindeutig sein, bei auslegungsbedürftigen Vorschriften und mehreren Interpretationsmöglichkeiten die Grenze des Vertretbaren klar überschreiten.“ (Wessels/Hettinger Strafrecht BT 1 Rn. 1133) „Der Tatbestand der Rechtsbeugung erfordert, dass sich der [Amtsträger] bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache bewusst und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt und sein Handeln stattdessen an eigenen Maßstäben ausrichtet.“ (BGH 4 StR 84/13 / zjs-online Heghmanns 2014) Eine strafbare Beugung des Rechts liegt nur vor bei besonders hohem Unwertgehalt der Tat, d.h. die Tat ist oder war in hohem Maß sozial unverträglich. Neben dem Ausmaß und der Schwere der Rechtsverletzung ist auch von Bedeutung, welche Folgen der Verstoß für die Geschädigten hatte und von welchen Motiven der Richter sich leiten ließ. (BGH 3 StR 498/14)
Der Versuch ist strafbar entsprechend § 23 Abs. 1 StGB.
B) Der subjektive Tatbestand der Rechtsbeugung ist erfüllt, wenn der Richter oder Amtsträger sich bewusst (vorsätzlich) und schwerwiegend von Recht und Gesetz entfernt. Bedingter Vorsatz genügt hinsichtlich des Taterfolgs (BGH 4 StR 23/94). „Der Täter muss für möglich halten, dass seine fehlerhafte Entscheidung zur Bevorzugung oder Benachteiligung einer Partei führen wird und sich damit abfinden.“ (BGH 4 StR 84/13) „Der Täter muss neben der Sachverhalts- und Bedeutungskenntnis insbesondere die Beugung des Rechts und deren begünstigende oder benachteiligende Wirkung für einen Beteiligten erfassen.“ (Joecks Strafgesetzbuch § 339 Rn. 6; Wessels/Hettinger Strafrecht BT 1 Rn. 1138) Der Amtsträger muss sich der schwere seines Rechtsverstoßes bewusst sein (BGH 2 StR 479/13). Der BGH verlangt Wissen an diesem Punkt (dolus directus 2: Handeln wider besseres Wissens). „Auf eine persönliche Gerechtigkeitsvorstellung des Richters kommt es nicht an.“ (BGH 2 StR 479/13)
„Indizien für das Vorliegen des subjektiven Tatbestands der Rechtsbeugung können sich aus der Gesamtheit der konkreten Tatumstände ergeben, insbesondere auch aus dem Zusammentreffen mehrerer gravierender Rechtsfehler.“ (BGH 2 StR 479/13)
Nur wer bei Begehung der Tat alle Umstände kennt, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören, handelt vorsätzlich. Der subjektive Tatbestand der Rechtsbeugung ist nicht erfüllt, wenn der Amtsträger eine auslegungsbedürftige Vorschrift objektiv fehlerhaft interpretiert, weil er sie völlig missversteht (Wessels/Hettinger Strafrecht BT 1 Rn. 1138). Irrtümer auf der Tatbestandsebene führen gemäß § 16 StGB Abs. 1 StGB zum Vorsatzausschluss: „Selbst wenn von einer falschen Beurteilung der Rechtslage auszugehen wäre, kann daraus nicht ohne weiteres der Schluss gezogen werden, dass die Beschuldigten den erforderlichen Vorsatz (§ 15 StGB) hatten, sich gegen das Recht zu vergehen und Sie zu benachteiligen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beschuldigten wussten bzw. mit der Möglichkeit rechneten, dass ihre Entscheidungen im Widerspruch zu Recht und Gesetz stehen könnten.“ (Eine deutsche Staatsanwaltschaft) Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung – z.B. fahrlässige Körperverletzung – bleibt davon unberührt. (§ 16 Abs. 1 S. 2 StGB)
Zusammengefasst muss objektiv eine schwerwiegende Rechtsverletzung und subjektiv das Bewusstsein beim Täter, das Recht zu verletzen, gegeben sein (vgl. zjs-online Heghmanns 2014). Dafür reicht ein „Na, wenn schon!“ (bedingter Vorsatz), wenn der Täter sich über die Schwere des objektiven Verstoßes gegen Recht und Gesetz bewusst ist (dolur directus 2: Wissen). Der Vorsatz musste zur Zeit der Tatbegehung vorliegen.
ii. Rechtswidrigkeit
Das vorsätzliche beugen des Rechts lässt kaum Raum für Rechtfertigungen (vgl. Wessels/Hettinger Strafrecht BT 1 Rn. 1140).
iii. Schuld
Fehlendes Unrechtsbewusstsein kommt unter Umständen als Schuldausschluss des Täters in Betracht (vgl. Wessels/Hettinger Strafrecht BT 1 Rn. 1141). Die Rechtswidrigkeit der Tat bleibt davon unbetroffen.
iv. Tateinheit
Aus Vorgenanntem folgt im Umkehrschluss, dass eine Rechtsbeugung häufig in Tateinheit mit anderen Straftaten begangen wird. (Zur Rechtsbeugung in Tateinheit mit einer Strafvereitelung im Amt siehe BGH 4 StR 274/16.)
v. Sperrklausel
Der Rechtsbeugungstatbestand entfaltet unter Umständen eine Sperrwirkung auf andere Delikte in Form des Richterprivilegs. Demnach soll ein Richter wegen einer rechtswidrigen Handlung in Zusammenhang mit seiner richterlichen Tätigkeit nur belangt werden, wenn er gleichzeitig das Recht im Sinne des § 339 StGB beugt (vgl. Wessels/Hettinger Strafrecht BT 1 Rn. 1143). „Aufgrund der Sperrwirkung des § 339 StGB für die Strafbarkeit von Amtsträgern bei der Leitung einer Rechtssache (BGHSt 10, 294; 32, 357, 364; OLG Düsseldorf, NJW 1990, 1374) kommt mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 339 StGB eine Strafbarkeit nach anderen Vorschriften nicht in Betracht. Danach ist eine Strafbarkeit wegen einer Tätigkeit bei der Leitung einer Rechtssache nach anderen Vorschriften nur möglich, wenn die Voraussetzungen der Rechtsbeugung nach § 339 StGB gegeben sind. Durch diese Beschränkungsfunktion, die analog dem zivilrechtlichen Haftungsprinzip (§ 839 Abs. 2 S. 1 BGB) die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Richters eingrenzt, soll die Unabhängigkeit der Strafrechtspflege gewährleistet werden. Denn andernfalls würde die gesetzgeberische Entscheidung, dass der Spruchrichter nur für vorsätzlich falsche Rechtsanwendung verantwortlich ist, auf einem Umweg wieder aufgehoben werden.“ (Eine deutsche Staatsanwaltschaft)
Der Bundesgerichtshof hat 2015 differenzierter entschieden: „Indem der Gesetzgeber mit Neufassung des Rechtsbeugungstatbestandes […] klargestellt hat, dass für die subjektive Tatseite der Rechtsbeugung auch bedingter Vorsatz ausreicht, ist ein Begründungsansatz für die Sperrwirkung des Rechtsbeugungstatbestandes bereits weitgehend obsolet geworden; denn damit blieben die Anforderungen an die subjektive Tatseite der denkbaren Strafvorschriften, die nach heutiger Gesetzeslage durch eine richterliche Entscheidung neben § 339 StGB verletzt werden können, nicht mehr hinter denjenigen des Rechtsbeugungstatbestandes zurück.“ (BGH 3 StR 498/14) Der BGH ist also der Meinung, die neue Fassung des § 339 StGB würde durch eine Sperrklausel zu hohe Hürden an die Tatbestandsmäßigkeit (den subjektiven Vorsatz) eines Rechtsvergehens im Amt durch einen Richter stellen.
Präsizer formulierte das OLG Naumburg (aus Krey et al Strafrecht BT 1 Rn 966a): „Stellt sich das Verhalten eines Richters bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache unabhängig von der Beantwortung der Frage, ob es als Rechtsbeugung, d.h. als elementarer Rechtsverstoß zu Gunsten oder zum Nachteil einer Partei, zu werten ist, auch isoliert als eine Straftat dar, greift der Schutz der Sperrwirkung nicht ein.“ (OLG Naumburg, NStZ 2013, 533 (535))
Angesichts der Rechtslage kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Richterin Kleinschmidt, Nagel und Dr. Sokol durch ihre Entscheidung vom 21.02.2023 das Recht zu unserem Nachteil gebeugt haben.
Meine Gegendarstellung veröffentliche ich auf der Seite staatklautkinder.de.
Hochachtungsvoll